So, nach vier Wochen Testzeit und zwei bereits veröffentlichten Testberichten zum Windows Phone von Nokia wird es nun wohl Zeit für ein allgemeines Feedback. Das Lumia und ich sind mittlerweile, nennen wir es mal down miteinander und ich bin positiv überrascht, was das kleine Kerlchen so alles drauf hat!
Ein Fazit zu schreiben, erscheint mir wirklich ein wenig schwierig, denn ich selber habe leider nur ein iPhone 3G als Vorgängerhandy und das Lumia 800 dem gegenüberzustellen, wäre beiden nicht angemessen gewesen. Also hab ich mir mal Timo und sein iPhone 4S geschnappt, wir haben uns ein paar Stunden in ein Hipster-Café verzogen und in gewohnter Stiftung-Warentest-Manier verglichen, gehated, gefanboyt und Mango mit iOS 5 verglichen. Und weil wir dabei koalaborativ (mit viel Eukalyptus und am Baum hängend?)… äh kollaborativ gearbeitet haben, erkennt man in jedem Satz beide von uns wieder.
Es gibt mehrere Bildschirme: auf dem ersten werden in Kachelform (dazu später mehr) die wichtigsten Apps angezeigt. Swiped man (wie man es von iOS kennt) einen Bildschirm nach rechts, finden sich hier alle auf dem Smartphone installierten Apps in einer alphabetisch angeordneten Liste. Eine Funktion, die ich am iPhone sehr schätze, ist die Option, Apps mit den gleichen Schwerpunkten in Ordner draggen und dort zu sammeln, um bei Bedarf ohne lange Sucherei auf die gewünschte App zugreifen zu können. Das fehlt leider noch bei dem Windows Phone 7.5 Mango. Heißt, wenn ich etwa nach einer bestimmten Fotoapp suche und mir ihr Name entfallen ist, muss ich alle Apps alphabetisch durchgehen und hoffen, dass ich das Icon wiedererkenne oder mir der Name beim Überfliegen auffällt. Was ich damit sagen möchte, ist, dass die Sucherrei nervt und die Übersichtlichkeit dabei verloren geht.
Es lässt sich besonders hervorheben, dass die Mobile-Entwickler des Redmonder Softwareriesen nicht einfach Dinge wie die Anordnung, Form und das Funktionssystem vom Branchenprimus iOS abgekupfert haben und das Apfel-Betriebssystem damit zum Quasi-Standard der Smartphone-Branche gemacht hätten, sondern das Thema “Wie wollen wir ein Smartphone benutzen?” von der Pike auf neugedacht haben. Dabei herausgekommen ist die “Kachel” als Anordnungsmethode der einzelnen Apps und die intensive und tiefgehende Verknüpfung mit Facebook (denn nicht zuletzt für seine Mobile-Strategie sicherte sich Microsoft 2007 strategisch wichtige Anteile an Facebook). (Anmerkung: Natürlich findet sich unter Mango vieles wieder, was durch Apple in den Markt eingeführt wurde, aber dieses sollte eher als Kompliment und Tribut daran verstanden werden, wie Apple sich dem Thema angenommen hat, denn als Nachbildung.)
Das Lumia hat ein sehr schlichtes Design und arbeitet in erster Linie mit Schwarz und Weiß als Kontraste, um Hintergrund und Farbe oder Hintergrund und Formen zu visualisieren, während das iPhone mit Farbübergängen, Schatten etc. viel “bunter” daherkommt. Mango ist kantiger, rauher als das sehr weiche, runde iOS. Doch es passt zu Microsoft, denen man ein ähnlich liebevoll-fürsorgliches Design durch die eigenen Erfahrungen mit Usabilitymonstern wie Office und Bedienbolzen wie Windows nicht abgenommen hätte.
Wo wir beim nächsten Gesprächsthema wären: Der Name. Windows. Wieso Microsoft seine Mobile-Bemühungen “Windows Phone” genannt hat, wird wohl auf ewig nur den Bauern der Markenstrategie-Charts im Microsoft HQ logisch sein. Eine Marke wie “Windows”, unbestritten eine Weltmarke mit enormer Brand Awareness, doch Größenteils negativ aufgeladenem Image, mitzuschleppen, hält Timo für eine falsche Entscheidung.
Kurz darauf meckert Timo rum, weil der Bildschirm mit den starken Kontrasten in seinen Augen weh tun. Es ist wahrscheinlich Ansichtssache: tagsüber finde ich das Schwarz-Weiß sehr angenehm, weil es meine Aufmerksamkeit nicht vom Wesentlichen ablenkt. Und keine Sorge, man kann schon farbige Designs (für Schriftarten und Live-Tiles auswählen) aber wenn Du morgens direkt nach Deinem Handy schnappst, oder nachts im Dunkeln etwas checken willst, ist der Farbkontrast so enorm, dass es tatsächlich ein wenig “wehtut” in den Augen.
Durch die nahtlose Integration meiner Facebook- und Twitter-Accounts in meinen Kontakte-Hub muss ich nicht die einzelnen Apps öffnen, um dort auf dem Laufenden zu bleiben, sondern kann direkt in einem Menü alle Updates sehen. Auch ziemlich sexy ist, dass ich unter Einstellungen direkt auswählen kann, ob ich nur Facebook-Updates, nur Twitter-Updates, oder alles gemeinsam angezeigt bekommen möchte.
Doch auch dort gibt es einen kleinen Punkt der mich “Aber!” sagen lässt, denn die Elemente, die ich bei Facebook und Twitter fast am meisten benutze, sind nicht integriert, nämlich Facebook Messages und Twitter DMs. Würde man diese beiden fehlenden Punkte noch einsetzen wäre das Kontakte-Live-Tiles mein absoluter Favorit.
Für Facebook-Chats und SMS ist der Nachrichten Live-Tile da. Er zeigt dort die gerade verfügbaren Facebook-Kontakte. Auch die geführten Konversationen werden dort gespeichert, was mich Dialoge, die ich beim letzten Mal begonnen habe, einfach weiterführen lässt. Wie schon in dem obigen Punkt erwähnt, fehlt mir aber die Möglichkeit, aus dem Nachrichten-Live-Tile Facebook-Messages zu senden. Denn nur Chatnachrichten werden dort übermittelt, um auf “normale” Nachrichten zugreifen zu können, muss ich nochmal seperat die Facebook-App öffnen. Es ist suboptimal, dass der Nachrichten Live-Tile hier eine Unterscheidung zwischen Chat und Messages macht – etwas, dass bei Facebook selbst nicht mehr gemacht wird.
Der Mail-Live-Tile ist wirklich sehr schlicht und übersichtlich gehalten. E-Mails können in unterschiedlichen Ansichten angezeigt werden, einmal in “Alle”, “Ungelesen” und “Dringend”. Auch sind alle notwendigen Funktionen darin erhalten, wie z.B. die Suchfunktion, die Möglichkeit, Mails in zugehörige Ordner zu verschiebem etc. Was ich auch sehr schick finde, ist dass mehrere Mails von einem Kontakt mit dem gleichen Betreff direkt untereinander gelistet werden, was es mir erleichtert, den Nachrichten-Verlauf nachzuverfolgen, ohne die dazugehörige vorangehende E-Mail separat suchen zu müssen.
Quasi unbenutzbar ist die Kalender-App. Zwar gibt es hier auch die von iOS geläufige Monats-Ansicht, bei der die Tage jeweils als Quadrate angezeigt werden, doch im Gegensatz dazu kommt man hier beim Klick auf einen der Tage direkt auf die Tagesansicht (die genauso unsexy ist wie die unter iOS) und nicht auf eine Tagesvorschau. Auch hier zeigt sich die Tücke des bewusst schlicht gewählten, zweifarbigen Designs: hell und dunkel als Kontraste reicht einfach nicht aus, um dieser sogar bei iOS schon unsympathischen App ein freundliches Gesicht zu verleihen. Diese Tatsache macht aus der Benutzung des Kalenders eine Zumutung.
An der Nokia-Karte (Nokia Maps) hat mich begeistert, dass ich in der App direkt die Möglichkeit, habe unter den drei gängigen Anzeigeoptionen (normale Karten-Ansicht, die Satelliten-Ansicht, sowie die “öffentlichen Verkehrsmittel”) wählen zu können. Dabei nutze ich die unten genannte Karten-Option am häufigsten, da ich damit nie verloren gehen kann in einer Großstadt wie Hamburg.
Die Facebook-App ist toll. Sie ist ganz anders gestaltet und aufgebaut als die iOS- oder Android-App. Es macht Spaß darin rumzuhängen. Einziger Nachteil: Keine Push-Notifications bei Facebook-Messages und keine Möglichkeit nach gelikten Fanpages zu suchen. Ergo: Du musst in den Browser switchen, die mobile Version von Facebook öffnen und von dort aus auf die gewünschte Fanpage zugreifen.
Die Fotoanzeige ist definitiv auch eines der Highlights unter Mango, denn ich kann meine Bilder faven (werden separat unter Faves angezeigt und laufen auf dem Startscreen durchgehend durch <3), unter Neuigkeiten seh ich, wer von meinen Facebook/ Twitter-Kontakten zuletzt ein Bild/Fotoalbum gepostet hat, er führt Fotoapps direkt auf und greift sogar auf meine eigenen Facebook-Fotoalben zurück.
Und da Fotos u.a. meine Hauptanwendungsgebiet auf dem Smartphone sind, bin ich von den Fotoanzeige hin und weg. Es macht auch unfassbar Spaß zu zoomen, denn im Vergleich zu dem iPhone 4S beispielsweise lässt sich der “2-Finger-Zoom” viel weicher ausführen, was das Zoomen erheblich erleichtert und angenehmer gestaltet. Timo wendet hier allerdings ein, dass diese Leichtigkeit am für den Touchscreen verwendeten Glas liegt, das gefühlt weichere, “leichtere” Glas des Nokia Lumia bietet den Fingern weniger Widerstandsfläche, was allerdings oft auch zu einer Übersensibilität führt, sodass man zu weit zoomt oder statt scrollen klickt.
Und und und … whoa … ich kann in der Kamera manuell Werte wie z.B. Belichtungswert, ISO, Messmodus, Kontrast, Sättigung, Fokus und Auflösung festlegen. Punkte die unter iOS fehlen, da man hier keinen direkten Einfluss auf diese Einstellungen hat.
Das Lumia ist in meine Augen ganz klar ein “Social Media”-Smartphone mit ganz viel Potential! An die Facebook-/ Twitter-Integration kommt ganz klar nichts heran, Social Media Tools lassen sich problemlos verwenden, Bilder hochwertig schießen und meine RSS-Feeds lassen sich mit Fuse auf eine unfassbar liebevoll und toll animierte Art und Weise darstellen, sodass mir das Lesen richtig Spaß macht.
Ich hoffe nur, dass viele Mobile-Entwickler das Potenzial des Windows Phone 7.5 Mango schnellstmöglich erkennen und meine Lieblingsapps wie z.B.
• Camera+
• Camerabag
• Dropbox
• Flipboard
• Hipstamatic
• Infinicam
• Instagram
• Instapaper
• Mitfahrgelegenheit
• offizielle St. Pauli App
• Path
• Soundcloud
• Tweetbot
ganz schnell nachentwickeln. Dann werde ich mein Nokia Lumia 800 auch bei Nacht nicht mehr aus der Hand legen. Alles in allem, das Lumia ist toll toll toll und ich bin begeistert. Klar, hab ich hier und dort kleine Verbesserungsmöglichkeiten entdeckt oder Kleinigkeiten, die mir fehlen. Aber auch so kann ich mit vollster Überzeugung sagen, dass das Lumia definitiv eine Alternative zum iPhone ist. Wenn ich die Wahl zwischen dem iPhone und dem Lumia 800 hätte würde ich wohl das Lumia wählen! Aus Überzeugung, die mir die vier Wochen Testzeit vermittelt haben. Ich freu mich ehrlich auf die Zukunft mit meinem kleinen schwarzen, denn ich denke uns steht eine perfekte Zeit bevor.
(prod. Shawty & Teemo)
Mixed by: Google Dox
Die Kalender-App ist tatsächlich unschön. Aber wenn ich auf einen bestimmten Tag drücke, komme ich auch genau zu der Tagesansicht. Es sei denn, Du warst zuletzt bei der Agenda-Übersicht. Dann springt die App auch zur Agenda-Übersicht (die ja im Grunde auch eine Tagesübersicht ist). Aber dennoch, ich liebe mein WP7!